Tod den Lebenden: Kritik der Pilotepisode der ARD-Serie (2024)

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Von: Loryn Pörschke-Karimi

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Tod den Lebenden: Kritik der Pilotepisode der ARD-Serie (1)

Mit RAF-Optik und schmerzender Satire erzählt die Serie „Tod den Lebenden“ die Geschichte von drei Millennials, die in einer polyamourösen Beziehung leben und sich für den Kampf gegen den Klimawandel radikalisieren. Aber irgendwie alles so nebenbei...

Spoilerwarnung - diese Meldung kann Hinweise auf die Fortführung der Handlung enthalten!

Die neue deutsche Serien-Produktion Tod den Lebenden ist keine Leichte Kost. Weniger aufgrund der Gewalt, sondern vor allem aufgrund der ungewöhnlichen, aber durchaus bezaubernden Erzählart. Mehrere Jahre hat Serienmacher Tom Lass den Cast improvisieren lassen. Das Ergebnis sehen wir nun in der ARD Mediathek.

Wovon handelt die Serie „Tod den Lebenden“?

Heidi (Odine Johne), Juklas (Julius Feldmeier) und Becky (Kristin Suckow) leben gemeinsam in Berlin in einer polyamourösen Beziehung. Sie sprechen über alles - zumindest, solange Anführerin Heidi das möchte. Denn Gleichberechtigung spielt keine große Rolle in der Liebes-WG. Sie bestimmt und der konfliktscheue Juklas sowie die verträumte Becky folgen ihr freiwillig wie einer Sektenführerin. Doch in der Pilotepisode beginnt es zu kriseln. Denn große Veränderungen stehen an...

Heidi möchte ein Baby, aber austragen soll das bitte Becky, natürlich als Leihmutter, mit Heidis Ei und Juklas Spermien. Doch da geht langsam der Frau ein Licht auf, die kurz zuvor noch bereitwillig für Heidi die Reiskörner sortiert hat. Wieso denn Leihmutter, fragt sie - wenn es auch ihres ist, ist es doch nicht geliehen?

Auch an anderer Stelle wird die Allmacht von Heidi gefährdet. Denn die Wohnung, in der die drei leben, wurde ihnen gekündigt. Das hält Heidi vor den anderen geheim, immerhin möchte sie sich nicht in die Karten gucken lassen.

Auf der anderen Seite darf Becky ihren neuen Freund Micha (Leon Ullrich) selbstverständlich nicht für sich behalten. Immerhin teilen die drei ja alles... Also muss auch Micha erst mal mit allen ins Bett, klar.

In die milde Berliner Sozialdystopie reingeschnitten werden Szenen, in denen man die Mitglieder mit Waffen in den Händen sieht. Sie stürmen an nicht zu erahnende Ziele, ästhetisch ganz im RAF-Stil.

Was man vielleicht über den Fortgang der Story noch wissen sollte, um diese schwer zu fassende Serie besser einordnen zu können: Bei Heidi wird eine Krankheit diagnostiziert, ausgelöst und verschlimmert durch den Klimawandel. So nähern sich die drei der Klimabewegung an, doch statt zu friedlichen Demos gehen sie direkt ins Herz der Radikalisierung. Dazu trägt auch die neue Geliebte Akki (Lea van Acken) bei. Von ihr sehen wir zu Beginn der Pilotepisode, dass sie die einzige Regel der Beziehung verletzt hat: Niemand trennt sich. Doch dann will sie zurück in den Schoß der Polyamorie. Doch so einfach macht Heidi ihr das natürlich nicht...

Wie kommt es rüber?

Irgendwie kann man sich ja schnell was darunter vorstellen, wenn man hört, dass eine Serie die Story einer Berliner WG erzählt, deren polyamouröse Bewohner sich dem Kampf gegen den Klimawandel verschreiben. Und irgendwie ist „Tod den Lebenden“ auch genau das. Aber irgendwie halt auch komplett gar nicht...

Das Besondere an der Serie ist die Unwichtigkeit der Handlung und das Hervortreten der Sprache, der Improvisation, der Figuren, aber vor allem der Frage nach dem Realismus. Man merkt dem fertigen Resultat die lange Vorarbeit deutlich an. Hauptdarstellerin Odine Johne erklärt dazu: „Tom Lass hat vor einigen Jahren das ImproLab gegründet, eine Art Experimentierlabor, bei dem wir uns wöchentlich getroffen und improvisiert haben.“ Dabei wurden - noch ohne Drehauftrag - auf Basis des Drehbuchs die Charaktere entwickelt. Stets unter der Maßgabe der Absurdität.

Die Frage nach der Wahrheit springt einen durch die Mattscheibe geradezu an. Vieles wirkt satirisch, geradezu absurd. Die Gang greift direkt zu den Waffen, Grenzen des gesunden Menschenverstandes scheinen für sie nicht zu gelten.

Doch auf der anderen Seite greift auch ein Hyperrealismus an den Hals der Zuschauer:innen. Denn durch die Kunst der Improvisation klingen die Figuren für viele Millennials vor der Mattscheibe wohl wie aus der eigenen Bekannten- und Kollegenschaft - und mitunter muss man wohl zugeben, sogar wie aus dem eigenen Mund... Die Figuren sind fast schon überaufgeklärt und sagen in dieser Wahrnehmung die richtigen Dinge - nur, um mit ihnen dann gerade in die Wand der Absurdität zu laufen. Daraus entwickelt sich ein bezaubernder Widerspruch aus Realität und Absurdität.

„Absurdität bedeutet offensichtlich Falsches als mögliche Wahrheit zu behaupten. Erst durch die Falschdarstellung werden wir auf eine Wirklichkeit zurückgeworfen. Erst durch diese Unwahrheit wird etwas Wahres sichtbar“, so Serienmacher Tom Lass zu seiner Serie. Und das Wahre soll sein: Auch wenn der Weg der Figuren falsch sein mag, die Intention ist auch in unserer Realität richtig. Will heißen: Man solle natürlich was tun, gegen den Klimawandel zum Beispiel - aber über die Waffen führt der Weg sicherlich nicht...

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Author: Pres. Carey Rath

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